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Foto: Unbekannt
Quelle: npg.org.uk (National Portrait Gallery, London)
Hermann Obrist
Foto: Unbekannt Quelle: npg.org.uk (National Portrait Gallery, London)

Hermann Obrist

CH, 1862 - 1927
BiographyHermann Obrist
* 1862 in Kilchberg; † 1927 in München

1885–1887 Studium der Medizin und Naturwissenschaften in Heidelberg
1887 Reise nach England und Schottland
1888 Ausbildung als Keramiker in Jena
1890 Umzug nach Paris; Studium der Bildhauerei an der Académie Julian
1891 Umzug nach Berlin; Feuilletons für den Berliner Börsenkurier

1892 Übersiedlung nach Florenz; Tätigkeit als Bildhauer; Gründung eines Ateliers für Stickerei mit Berthe Ruchet
1895 Umzug nach München; Bau eines Atelierhauses in Schwabing
1896 Ausstellung von Stickereien im Kunstsalon Littauer in München; Ausstellung eines Grabmalentwurfs bei der Jahresausstellung im Münchner Glaspalast
1898 Mitbegründer der Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk
1900 Ausstellungs- und Vortragstätigkeit in ganz Deutschland; Goldmedaille für Stickereien auf der Weltausstellung in Paris; Schliessung des Stickerei-Ateliers
1901 Ausstellung von 22 Plastiken auf der ersten Ausstellung für Kunst im Handwerk im Alten Nationalmuseum (heute: Völkerkundemuseum) in München; Ausstellung von Brunnen und Ascheurnen im Lichthof des Kunstgewerbemuseums Berlin (heute: Martin-Gropius-Bau)
1902 Gründung der Lehr- und Versuchs-Ateliers für angewandte und freie Kunst mit Wilhelm von Debschitz
1903 Publikation der gesammelten Aufsätze und Vorträge in Neue Möglichkeiten der bildenden Kunst
1904 Goldmedaille für den Entwurf einer Gürtelschliesse auf der Weltausstellung in St. Louis/Missouri (US); Rückzug aus der Lehrtätigkeit
1914 in Zusammenarbeit mit Henry van de Velde Beteiligung an der Werkbundausstellung in Köln; zunehmender Rückzug ins Privatleben
1919 Beteiligung an der Ausstellung für unbekannte Architekten des Arbeitsrats für Kunst im Graphischen Kabinett Neumann in Berlin

Das Lebenswerk des Bildhauers, Zeichners und Theoretikers Hermann Obrist stellt einen der wichtigsten Beiträge zur Kunst um 1900 dar. Obrist initiierte die deutsche Jugendstilbewegung, die anspruchsvolles Handwerk der angewandten Kunst mit den ästhetischen Ansprüchen der freien, bildenden Kunst verschmolz. Darüber hinaus schuf er mit seinen Brunnen und Grabmälern die ersten abstrakten Skulpturen als Verbindung von organischen und anorganischen Strukturen. Nach dem Abitur begann Obrist 1885 ein medizinisches und naturwissenschaftliches Studium in Heidelberg, das er zwei Jahre später abbrach. 1886 erfuhr er auf einer Wanderung im Neckartal seine erste Vision, der später weitere folgten. 1887 unternahm Obrist eine Reise durch England und Schottland, bei der er die englische Arts-and-Crafts-Bewegung kennenlernte. In Cornwall entschloss er sich nach einer vierten Vision zum Kunstgewerbestudium in Karlsruhe. Von der traditionellen Ausbildung enttäuscht, liess er sich im Sommer 1888 in einer Bauerntöpferei bei Jena zum Keramiker ausbilden. Ein Jahr später zog er nach Paris, wo er die Bildhauerklasse an der Académie Julian besuchte. 1891 zurück in Berlin, verdiente er seinen Lebensunterhalt mit Feuilletons für den Berliner Börsenkurier. Der Verkauf seines ersten Brunnenmodells ermöglichte ihm 1892 eine Reise nach Florenz. Dort beschäftigte er sich mit der italienischen Marmorskulptur und schuf den Brunnen Elfenschreck. Gemeinsam mit Berthe Ruchet, der langjährigen Gesellschaftsdame seiner Mutter, gründete er ein Atelier für Stickerei. Mit seinem Umzug nach München 1895 begann Obrists steile Karriere als bedeutendster Pionier der Kunstgewerbereform. Sein Haus mit einem Atelier für seine Stickerinnen und einem, das mit Möbeln nach eigenen Entwürfen sowie Stücken von Bernhard Pankok und Richard Riemerschmid ausgestattet war, wurde zu einem Jugendstil-Gesamtkunstwerk. Obrists Ruf als Exponent des Jugendstils wurde 1896 durch eine Ausstellung von Stickereien im Salon Littauer gefestigt. Wie bei den Vertretern der Arts-and-Crafts-Bewegung spielte auch bei ihm das Motiv der Pflanze eine entscheidende Rolle. Die dekorativen Qualitäten der Pflanzen waren für Obrist weniger wichtig als ihre konstruktiven und strukturellen Eigenschaften, die er in seinen Stickereien und Möbeln umzusetzen versuchte. Dynamik und Bewegung als umfassendes Lebensprinzip sah er in der räumlichen Spirale ausgedrückt. Auch in seiner Auseinandersetzung mit der Fotografie ging er über den traditionellen Begriff des Bildhauers hinaus und erschloss neue Wege für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Er entwickelte im Auftrag des Kunstgewerbevereins eine intensive Vortragstätigkeit in ganz Deutschland und publizierte zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften. Anfang 1902 eröffnete er zusammen mit Wilhelm von Debschitz die Lehr- und Versuch-Ateliers für angewandte und freie Kunst in München. Nachdem Obrist wegen zunehmender Schwerhörigkeit nur noch gelegentlich Vorträge halten konnte, verliess er Ende 1904 die Schule endgültig, um sich der eigenen Arbeit zu widmen. Nach einer Magenoperation während des Ersten Weltkriegs folgten nur noch wenige kurze Phasen kreativer Arbeit.

Quellen:
Museum Bellerive (Hg.), “Hermann Obrist. Skulptur – Raum – Abstraktion um 1900“, Ausstellungskatalog, Zürich 2002
www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4022833