Jan Tschichold
Jan Tschichold (Johannes Tzschichhold)
* 1902 in Leipzig; † 1974 in Locarno
1919–1921 Besuch der Schriftklasse an der Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig
1920/21 Besuch der Kunstgewerbeschule Dresden
1921 Schüler in der Meisterklasse Buchgewerbe, Illustration, freie und angewandte Graphik von Walter Tiemann an der Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig
1923 Besuch der Ausstellung am Bauhaus in Weimar; selbstständige Tätigkeit
1925 Umzug nach Berlin
1927 Berufung als Dozent an die Münchner Meisterschule für Typografie
1928 Publikation des Buchs "Die neue Typografie" Beteiligung an der Ausstellung neue typographie im Gewerbemuseum Basel; Mitglied des ring neuer werbegestalter
1929 Entwurf eines phonetischen Minuskelalphabets; Herausgabe des Buchs «foto-auge» gemeinsam mit Franz Roh
1931/32 Entwurf der Schriften Zeus, Transito und Saskia
1932 Gestaltung der "Sonate in Urlauten" von Kurt Schwitters
1933 Emigration in die Schweiz; Aushilfslehrerstelle in der Lehrlingsausbildung der grafischen und kunstgewerblichen Berufe an der Allgemeinen Gewerbeschule in Basel
1933–1940 Typograf in der Verlagsdruckerei Benno Schwabe in Basel
1935 Publikation des Buchs "Typografische Gestaltung"
1941 Publikation des Buchs "Geschichte der Schrift in Bildern"
1941–1946 Verlagshersteller im Birkhäuser Verlag in Basel
1943 Initiant des Schweizer Wettbewerbs "Die zehn schönsten Bücher des Jahres"
1946 Umzug nach London
1946–1949 Art Director bei Penguin Books
1949 Ehrenmitglied des Londoner Double Crown Clubs
1950 Rückkehr in die Schweiz
1952 Publikation des Lehrbuchs "Meisterbuch der Schrift"
1954 Goldmedaille des American Institute of Graphic Arts
1955–1967 Typograf für Hoffmann-La Roche in Basel
1960 Ehrenmitglied der Société Typographique de France
1962 Publikation des Buchs "Willkürfreie Massverhältnisse der Buchseite und des Satzspiegels"
1965 Ernennung zum Royal Designer for Industry durch die Royal Society of Arts in London; Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig
1967 Entwurf der Antiquaschrift Sabon; Vortragsreise in die USA
Jan Tschichold ist einer der einflussreichsten Typografen des 20. Jahrhunderts: Er war ein Meister der Praxis, arbeitete als Lehrer, schrieb umfangreiche Bücher und zeichnete Schriftschnitte. 1919 wurde Johannes Tzischhold, Sohn eines Schriftenmalers, in die Schriftklasse des Kalligrafen Hermann Delitsch an der Akademie für Graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig aufgenommen, anschliessend besuchte er bis 1921 die Kunstgewerbeschule in Dresden. Ab 1921 war Tschichold Meisterschüler beim Typografen und Grafikdesigner Walter Tiemann an der Leipziger Akademie. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete er als Kalligraf an der Gestaltung von Werbeanzeigen, vor allem für die Leipziger Messe. Ab den frühen 1920er-Jahren war Tschichold freiberuflich als typografischer Entwerfer tätig. Bisher nur mit historischer und traditioneller Typografie befasst, nahm seine Arbeit 1923, nach seinem ersten Besuch im Bauhaus, eine neue Richtung: Er lernte dort László Moholy-Nagy und El Lissitzky kennen, die im Kontext der neuen Typografie des Bauhauses die Schemata herkömmlicher Typografie aufzubrechen suchten. Für die elementare Gestaltung waren Einfachheit und Klarheit oberstes Gebot, was sich in asymmetrischer Gestaltung, serifenlosen Lettern und maschinellem Satz ausdrückte. 1923 nahm Tschichold den Namen Iwan an, ab 1926 änderte er ihn in Jan Tschichold. 1925 stellte er im Sonderheft "elementare typographie" der vom deutschen Buchdruckerhandwerk herausgegebenen Zeitschrift "typographische mitteilungen" die neuen Ansätze vor. Tschichold wurde so zum kompromisslosesten Vertreter der Neuen Typografie. Ende 1925 zog Tschichold nach Berlin. 1927 wurde er von Paul Renner an die neu eröffnete Münchner Meisterschule für Typografie berufen. Während seiner Zeit dort entstanden seine berühmten Filmplakate für den Münchner Phoebus-Palast, die durch die Verwendung von Fotografie, Typografie, Asymmetrie und Diagonale zu richtungsweisenden Beispielen wurden. 1928 beteiligte sich Tschichold an der Ausstellung "neue typographie" im Basler Gewerbemuseum, im selben Jahr wurde er Mitglied des ring neuer werbegestalter, ausserdem erschien sein erstes Lehrbuch "Die neue Typographie". Anfang der 1930er-Jahre entwickelte Tschichold die Zierschriften Zeus (1931), Saskia (1931/32) und Transito (1931). 1933 verlor er durch die Nationalsozialisten seine Stelle als Fachlehrer und emigrierte in die Schweiz. In Basel erhielt er eine Aushilfslehrerstelle an der Allgemeinen Gewerbeschule in Basel. Daneben arbeitete er auch als typografischer Gestalter für den Benno Schwabe Verlag, der unter anderem die Plakate für die Kunsthalle und das Gewerbemuseum in Basel fertigte. 1935 veröffentlichte Tschichold mit "Typographische Gestaltung" sein wichtigstes Werk. Zwei Jahre später entwarf er das Plakat für die «konstruktivisten»-Ausstellung in der Basler Kunsthalle, eine der letzten Arbeiten im Stil der Neuen Typografie. Kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs überdachte Tschichold seine typografischen Grundsätze und verwarf sie schliesslich ebenso wie den alleinigen Gebrauch serifenloser Schriften. In der Folge wandelte er sich zum Erneuerer der traditionellen, symmetrischen Typografie. Von 1941 bis 1946 erhielt Tschichold eine Festanstellung als Verlagshersteller im Birkhäuser Verlag in Basel. 1943 initiierte er den Schweizer Wettbewerb "Die zehn schönsten Bücher des Jahres". 1947 ging er für zwei Jahre nach England, wo er unter anderem für Penrose Annual und Penguin Books arbeitete. Nachdem Tschichold 1955 wieder nach Basel gezogen war, arbeitete er dort für den Pharmakonzern Hoffmann-La Roche. 1962 veröffentlichte er sein Buch "Willkürfreie Massverhältnisse der Buchseite und des Satzspiegels". Für seine Verdienste um die Schrift verlieh ihm die Stadt Leipzig 1964 den Gutenberg-Preis, die Royal Society of Arts ernannte ihn 1965 zum Royal Designer for Industry. 1966/67 schnitt Tschichold die Antiqua-Schriftfamilie Sabon. 1967 reiste er zu einer Vortragsreise in die USA und zog sich nach seiner Rückkehr in sein neu erworbenes Haus in Berzona im Tessin zurück.
Quellen:
Bose, Günter, Erich Brinkmann (Hg.), "Jan Tschichold. Schriften 1925–1974", Berlin 1991
Le Coultre, Martijn F., Alston W. Purvis, "Jan Tschichold. Plakate der Avantgarde", Basel/Boston/Berlin 2007